Das neue Jahr ist kaum ein paar Tage
alt und hinter uns liegt das vergangene. Die Jahreslosung: „Ich
glaube, hilf meinem Unglauben!“, passte zum vergangenen Jahr im
Blick auf die Schwierigkeiten, die wir hatten, unseren Glauben in
Gemeinschaft auszuüben. Wie wird das kommende Jahr? Ich kann es
nicht sagen. Das Einzige, was vor mir liegt (im Sinne eines
Überblicks) ist das Vergangene. Aber: schon werden die Fragen nach
dem, was kommt, drängender. Barmherzigkeit ist ein Gebot Jesu, durch
das sich seine Jüngerinnen und Jünger nicht nur als Hörende,
sondern als Handelnde erleben sollen.
Und übers Handeln schreiben, geht
natürlich, mal einfacher mal schwerer – denk ich – und da kommen
gerade neue Freunde (von der Bürgerstiftung Halle) an die Tür und
erzählen von einem „Empathie Flashmob“ heute am AOK-Gebäude, an
der Würfelwiese. Auf Nachfrage wird deutlich, dass es darum geht
miteinander „Corona-konform“ 10 min zu gehen: einer hört zu, die
andere erzählt. Und ich denk: Genau! Barmherzigkeit, einander
mitteilen, dem Anderen Aufmerksamkeit schenken und erfahren, dass mir
Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eine ziemlich konkrete Übersetzung
des Gebotes zur Barmherzigkeit: Empathie-Flashmob. Ob sich die beiden
der Jahreslosung dabei bewusst sind?
Und mir kommen weitere Fragen: wo kann
ich Barmherzigkeit außerhalb und innerhalb der Grenzen unserer
Kirchengemeinden wahrnehmen? Ist es nicht so, dass wir Menschen das
schon automatisch tun, weil wir vom Miteinander leben? Ja und nein.
Wir leben vom Miteinander. Es tut unseren Seelen gut, füreinander da
zu sein. Es tut uns gut, zu helfen, sich des Armen anzunehmen. Nein,
denn Menschen neigen dazu, das eigene Ich unverbunden mit dem Du in
den Mittelpunkt des Lebens zu stellen. Dieses Du kann und soll Gott
sein. Dieses Du kann der Nächste aber auch der Ferne sein. In der
Feldrede kommt der Aufruf zur Barmherzigkeit direkt nach dem Gebot
der Feindesliebe. Danach kommt die Aufforderung: „Richtet nicht, so
werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht
verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.“
Barmherzigkeit ist ein schillernder
Begriff. Wenn ich nachschaue, was er bedeutet, so finden Verweise und
Bedeutungshorizonte kaum ein Ende. Es wird auch dabei deutlich:
Barmherzigkeit zielt auf ein Fühlen, eine Haltung und auf das
Handeln. Es gibt viele Geschichten in der Bibel, die von der
Barmherzigkeit Gottes handeln. In vielen Geschichten wird deutlich,
wie Menschen miteinander barmherzig (und hartherzig) umgehen. Ich
nehme gegenwärtig war, dass wir uns an Distanz und Abstand gewöhnen.
So wird es für das kommende Jahr umso wichtiger sein, sich – in
welcher Weise auch immer – nahe zu kommen und füreinander da zu
sein. Einen „Empathie-Flashmob“ scheint mir schon einmal ein
guter Einstieg zu sein.
Allen Leserinnen und Lesern, unseren
Gemeinden, der Kirche Jesu in unserer Zeit wünsche ich Gottes Segen.
Martin Schmelzer, Pfarrer
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